Das Interview mit ESC-Star Zoë Më

«Ich sitze nie super entspannt am Steuer»

Am Eurovision Song Contest holte Zoë Më für die Schweiz Rang zehn. Im Interview mit den AGVS-Medien erklärt die 24-jährige Freiburgerin, wie viele «Punkte» sie sich als Autofahrerin geben würde. Und sie verrät, wem ihr traurigstes Lied gewidmet ist.
Publiziert: 19. September 2025

										«Ich sitze nie super entspannt am Steuer»
Die Schweizer Singer-­Songwriterin Zoë Më besitzt seit Neuestem ein ­Mobility-Abo. Foto: SRF – Maurice Haas

Zoë Më, von der ganz grossen Bühne am ESC auf die etwas kleinere Waldbühne am Gurtenfestival – wie war das für dich?
Zoë Më: Die Bühnengrösse ist für meine Auftritte weniger entscheidend, da ich stets die Musik ins Zentrum stelle, um meine Geschichten zu erzählen. Gefühlsmässig hat ein solcher Wechsel daher kaum Auswirkungen auf mich. Was hingegen tatsächlich anders ist: Beim Eurovision Song Contest bereitest du dich intensiv auf die exakt vorgegebenen drei Minuten vor. Es ist also quasi von vorneweg Sekunde für Sekunde klar, was während der Show passiert. An einem Open-Air stehe ich hingegen mit einer gesamten Band auf der Bühne – und ich singe nicht nur drei Minuten, sondern eine Stunde lang. Da passieren Dinge, die sich kaum planen lassen, was deutlich mehr Flexibilität erfordert.

Unvorhergesehene Ereignisse wie Regen, der deine Performance auf dem Gurten beeinflusst hat. Festivalbesuchende kamen und gingen plötzlich wieder. Nervt dich das als Künstlerin?
Klar ist es schade, wenn es regnet. Bei Sonne hätten wohl mehr Menschen das Konzert mitverfolgt. Genervt? Nein. Ich muss die Situation akzeptieren, wie sie ist, und versuche, unter diesen Bedingungen eine gute Darbietung abzuliefern. Aber klar: An einem Open-Air ist man abhängiger von bestimmen Komponenten als anderswo (lacht).

Du hast dieses Jahr zahlreiche weitere Auftritte vor dir. Weil es wichtig ist, den ESC-Schwung gleich mitzunehmen?
Nun, die meisten Club- und Festival-Bookings waren bestätigt, noch bevor meine Teilnahme am ESC kommuniziert wurde. Zu wissen, dass unsere Shows nicht nur wegen des ESC Anklang finden, gibt uns eine gewisse Sicherheit, ja, beflügelt sogar. Was ich an Energie vom ESC mitnehme, ist die Gewissheit, dass jetzt mehr Leute unser Projekt kennen und sich dafür interessieren. Wir haben nach dem ESC nochmals viel Zeit investiert, um unsere Auftritte neu zu gestalten. Ich kam zu Hause an, packte die Koffer aus und habe eine Woche lang bis morgens um zwei Uhr Nachtschichten geschoben, um Streicherarrangements zu schreiben. Da ich sowieso seit März praktisch durchgearbeitet habe, dachte ich: Mach doch grad so weiter (lacht).

Irgendwann gönnst du dir aber schon eine Auszeit?
Ende Juni habe ich eine Woche Pause gemacht. Weniger im Sinne von klassischen Ferien mit Verreisen oder Strand, ich plante bloss keine aktiven Termine ein. Eben auch, weil jetzt nach dem ESC nicht die ideale Phase dafür ist. «Richtige» Ferien gibt es dann wohl im September.

Als Musikerin bist du häufig unterwegs. Wie bewegst du dich fort?
Ich habe seit Neuestem ein Mobility-Abo. Gleichzeitig besitze ich ein GA und benutze deshalb sehr oft den ÖV. Als ich alleine auftrat, habe ich mein Klavier übrigens eigenhändig mit in den Zug geschleppt (schmunzelt). Kein einfaches Unterfangen, meine Hände liefen meist rot an …

Du hast ein Klavier mit in den Zug genommen?
Ein kleines, elektrisches Piano, ja. Und mit Hülle ziemlich schwer.

Für eine komplette Band würde eine Zugreise erst richtig kompliziert.
Absolut, ein Schlagzeug lässt sich nicht im Zug transportieren. Daher arbeiten wir seit diesem Jahr mit Mobility zusammen – auch weil uns Nachhaltigkeit wichtig ist. Und so holt mein Drummer am Showtag das Auto ab, fährt zum Proberaum, lädt sämtliche Instrumente ein und zwei Personen fahren mit ihm mit – jene ohne GA.

Und du nimmst nach wie vor den Zug?
Ja, immerhin kann ich jetzt mein Klavier abgeben (lacht).

Selbst ein Auto hast du nie besessen?
Nein. Wenn, dann habe ich jenes meiner Eltern benutzt, was natürlich nicht immer verfügbar war. Und ja: Ich kann Auto fahren, ich bin bloss nicht die, die super entspannt hinter dem Steuer sitzt. Ich bin so konzentriert, um zu sehen, was auf der Strasse gerade so passiert, dass ich k.o. bin, wenn ich irgendwo ankomme. Deshalb fährt unser Drummer (lacht).

Als vorsichtige Autofahrerin bist du wohl noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Nein. Wobei: Als ich damals mein Permis gerade frisch erhalten hatte, war ich überzeugt, geblitzt worden zu sein, und machte mir grosse Vorwürfe. Ich erhielt allerdings nie eine Busse zugeschickt. Vielleicht war ich zu schnell für den Radar oder zu langsam, damit es für einen Strafzettel gereicht hätte (lacht).

Wie stehst du zur E-Mobilität?
Wir wählen in Fribourg – je nach Verfügbarkeit – den elektrischen Transporter von Mobility. Er bietet genügend Platz für unser Material. Wenn ich mir privat ein Auto anschaffen würde, wäre eines mit elektrischem Antrieb sicher ein Thema.

Erinnerst du dich an deine Fahrstunden?
Ich absolvierte bloss fünf davon, da ich häufig mit meiner Mutter unterwegs sein durfte. So habe ich in den Fahrstunden selbst jede Aufgabe nur einmal absolviert: einmal Autobahn, einmal Stadt, einmal Kreisel und so weiter. Als das gut lief, meldete mich mein Fahrlehrer zur Prüfung an – und ich bestand! Wahrscheinlich bin ich beim Fahren deswegen so konzentriert: Weil ich so schnell zur und durch die Prüfung kam und anschliessend kaum mehr wirklich geübt habe.

Dein Terrain ist ja auch die Bühne. Arbeitest du momentan an neuen Songs?
Der ESC hat mir riesigen Spass gemacht. Andererseits ist er Teil meines Weges und nicht das Ziel – ich hatte schon davor diverse Titel geschrieben, die ich nun veröffentliche, zum Beispiel «Million de Mois»; die Single, die vor kurzem erschienen ist. Zu wissen, dass nach dem ESC kein Songwriting-Camp ansteht, nimmt mir einiges an Stress weg. Ich kann mich auf meine Auftritte konzentrieren und hatte sogar Zeit, mit Louane ein Duett zu organisieren. Ohne bereits vorhandene Songs wäre das wohl kaum möglich gewesen. Ab September sind dann hingegen tatsächlich Songwriting-Sessions vorgesehen für neue Musik im nächsten Jahr, im Hinblick auf ein neues Album.

Bei «Million de Mois» singst du über eine verstorbene Person. Du hast dich nie dazu geäussert, um wen es sich handelt.
Nein, das geschah mit Absicht, da es sich um einen echten Menschen handelt, um einen guten Freund von mir. Ihm ist dieses Lied gewidmet. Ein trauriger, aber auch hoffnungsvoller Song. Ich sage dieser Person dabei, dass ich einen Ort gefunden habe, wo ich sie spüre und für immer bei mir behalten werde. Ich will Menschen, die etwas Ähnliches erlebt haben, damit Trost spenden. Generell bin ich sehr offen, was solche privaten Ereignisse anbetrifft. Mein persönliches Umfeld versuche ich wiederum, so gut es geht, zu schützen. Sie sind keine Personen des öffentlichen Lebens.

Magst du deinen ESC-Song «Voyage» überhaupt noch hören?
Dieser Track existierte bereits vor dem ESC. Kein «echter» neuer Song also, trotzdem empfand ich ihn so. Wegen seiner universellen Botschaft, die immer richtig klingt. Gerade jetzt, als er durch das Publikum eine Art zweites Leben erhält, bin ich wahnsinnig froh, ihn singen zu dürfen: Ich stelle fest, was die Menschen mit dem Lied verbinden, damit betrachte ich ihn durch eine veränderte Perspektive. Die ursprüngliche Botschaft lautet: Seid nett zueinander – und Blumen sind schöner, wenn sie gegossen werden. Jetzt, wenn ich merke, wie Leute im Publikum diese Zeilen zurücksingen oder sich «Voyage» gar tätowieren lassen, ist es ein Song, der sich noch richtiger als eh schon anfühlt.

Der ESC war in den letzten beiden Ausgaben politisch aufgeladen, was sich gerade bei Nemo manifestierte und zu Konflikten führte.
Die Message von «Voyage» ist eindeutig genug: Seid nett zueinander. Das ist meine Grundüberzeugung.

Du bist in Basel geboren und aufgewachsen, hast anschliessend eine Weile in Deutschland gelebt und wohnst nun schon seit Jahren im Kanton Freiburg. Wo ist eigentlich dein Zuhause?
Gute Frage … ich hatte stets viel Mobilität in meinem Leben (lacht). Ich fühle mich an jedem der drei Orte daheim. Zwar nirgends zu hundert Prozent, das hat mich jedoch gleichzeitig auch weltoffen denken lassen. Ein Zuhause verbinde ich eher mit Leuten und Momenten. In Basel sind meine Wurzeln, in Deutschland habe ich die Liebe zur deutschen Sprache entdeckt. Aktuell ist Fribourg der Ort, wo ich am ehesten heimisch bin. Ich wohne hier, seit ich neun bin. Mein Umfeld ist hier und ich habe die Kultur und Mentalität schon ziemlich aufgesogen, obwohl ich den Dialekt noch immer nicht spreche (lacht).