Die Schweiz ist eine Macht im Driftsport

In Emmetten entstehen Drift-Boliden

Die Schweiz ist eine Macht im Driftsport

16. September 2022 agvs-upsa.ch – Yves Meyer, der zweifache European Time Attack Champion und FIA-Vizeweltmeister im Intercontinental Drifting Cup, weiss, worauf es beim Driften ankommt. Der 30-jährige Innerschweizer donnert aber nicht nur gerne quer über die Piste, sondern arbeitet im beschaulichen Emmetten auch an neuen Chassis von Toyota GR Supra für den Renneinsatz. Eine exklusive Stippvisite beim Team von Toyota Gazoo Racing Switzerland.
 
artikel_0.jpgYves Meyer beim Probesitzen im neuen Supra-Chassis für die nächste Driftsaison. Fotos: Toyota Gazoo Racing Switzerland

jas. Noch arbeitet das Team der Drift Force GmbH in der kleinen Werkstatt neben dem Verkehrssicherheitszentrum in Seelisberg. Die neue Heimat, eine schmucke, mehrstöckige Garage im malerischen Emmetten NW, hat mit Bauverzögerungen zu kämpfen. Das kann aber Yves Meyer und sein Team nicht aus der Ruhe bringen, derweil arbeiten sie einfach auf etwas engeren Raumverhältnissen an den neuen Supra-Chassis für die nächste Driftsaison. «Wir planen später mit drei Arbeitsplätzen in der Werkstatt, einem Bereich zum Folieren, aber auch einem für den Motorenbau, einem Showraum, genauso wie einem grossen Autolift, der die einzelnen Stockwerke verbinden soll», gibt Yves Meyer schon einmal einen ersten Ausblick auf die Zukunft seines Unternehmens.

artikel_6.jpgDer Toyota GT-86 von Toyota Gazoo Racing Switzerland in der amerikanischen «Formula Drift PRO».

Der 30-Jährige gehört zu den weltweit besten Driftfahrern und fährt aktuell mit einem Toyota GT-86 fürs Team von Toyota Gazoo Racing Switzerland in der amerikanischen «Formula Drift PRO». Dort liefert er sich packende Duelle vor über 60'000 begeisterten Fans. «Der Sport wächst, auch in Europa. Red Bull TV hat ihn mit dem Driftmasters European Championship fix in sein Programm aufgenommen», erläutert Meyer. Voller Begeisterung und Herzblut sind auch die drei Mechaniker am Arbeiten als der «Capo», wie Yves Meyer ebenfalls genannt wird, reinschaut und den AGVS-Medien einen exklusiven Einblick bietet. «Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir für die nächste Saison als erstes europäisches Team zwei Supra-Rohkarossen geliefert bekamen. Wir haben dafür die Freigabe erhalten, können eigene Chassis-Nummer vergeben und haben neben den beiden Wagen für meinen Teamkollegen Joshua C. Reynolds und mich auch schon Bestellungen für zwei Kundenfahrzeuge, die wir aufbauen dürfen.»

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Quer geht bei Team von Toyota Gazoo Racing Switzerland und der Drift Force GmbH immer noch mehr.

An den ersten beiden Chassis wird nun fleissig gefeilt, geschweisst und gehämmert. «Wir haben natürlich viel mit 3D-Modellen und CAD-Zeichnungen gearbeitet, um Motor und Differential schon mal ideal positionieren zu können, aber ob dann alles wirklich genauso umsetzbar ist, zeigt sich erst in der Praxis», verrät Chefmechaniker Patrick Müller. Er bringt gerade Markierungen in den Holmen der Rohkarosse an, wo er später seine neue Crashbar-Konstruktion aus Alu anbringen will. «Hängt man beim Drift an einer Wand an, gibt diese ja nicht nach. Dank unserem Anbau funkt es nun zwar ein bisschen, aber der Fahrer kann seinen Run fortsetzen.» Dies bedeutet dann aber wieder Arbeit fürs Werkstattteam, aber Rempler auf der Strecke bereiten Müller weniger Kopfzerbrechen als beispielsweise unterschiedliche Schrauben. «Wir benötigen für gewisse Teile Zollschrauben und somit auch die entsprechenden Werkzeuge, das nervt – ich würde lieber nur noch mit metrischen Tools und Massen arbeiten.»

artikel_12.jpgChefmechaniker Patrick Müller nimmt genau Mass, damit am Schluss das Lenkrad ideal positioniert ist.

Bei heiklen Anbauteilen setzt das Schweizer Team zudem bewusst so oft wie möglich auf Serienteile. «Die sind im Original ja mindestens für 500'000 Kilometer ausgelegt, da muss man nicht extra etwas anderes entwickeln», so Meyer. «Wir sind in einer weltweiten Rennserie engagiert und auch unsere Kunden sind und sollen weltweit zuhause sein. Daher ist es für uns wichtig, dass wir auf Teile und Komponenten setzen, die überall auf dem Globus und schnell zu bekommen sind.» Im Fahrwerksbereich hat sich Meyers Team daher für KW entschieden, denn deren Dämpfer sind zuverlässig und es gibt sie weltweit. «Wir müssen nicht nur bei der Konstruktion das Optimum herausholen, sondern auch bei der Versorgung der Teile – man weiss ja nie, was bei einem Renneinsatz passiert», meint der zweifache European Time Attack Champion und FIA-Vizeweltmeister im Intercontinental Drifting Cup mit einem Schmunzeln.

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Ein seltenes Bild, denn normalerweise heizen die Driftprofis quer über die Piste.

Hinter seinen gekonnten Drifts steckt auch jede Menge Know-how und Technik. «Wir sind dabei mit Semislicks unterwegs, um möglichst schnell zu sein. Wollen aber auch hohe Präzision, maximalen Grip für 800 bis 1000 PS und dürfen nach zwei Einsätzen nicht auf den Karkassen unterwegs sein», fasst Yves Meyer zusammen. Die südkoreanische Marke Nexen Tire liefert dazu die passenden Reifen – und das nicht zu knapp, denn pro Saison und Fahrer verbraucht man im Driftsport etwa 500 Reifen! «450 auf der Hinterachse und weitere 50 auf der Vorderachse», so Meyer. Perfekt eingeteilt habe man sein Rennen, wenn man auf der Ziellinie des zweiten Runs auf der Karkasse unterwegs sei. Aber ja nicht früher, denn die Regeln besagen, dass ein Reifen mindestens zwei Runs halten muss. Platzt er schon vorher, wird man disqualifiziert.

Zu seinem ersten Drifteinsatz fuhr Yves Meyer übrigens noch mit lediglich vier Reifen. Heute kann er darüber herzhaft lachen. «Es ist wichtig, dass wir bereits jetzt wichtige Erfahrungswerte mit dem neuen Nexen Nfera Sport R sammeln können. So haben wir für die nächste Saison mit den komplett neuen Chassis schon gewisse Referenzwerte bezüglich Spur- und Sturzeinstellungen, auf denen wir aufbauen können», erklärt er. Die neuen Nexenreifen sind breiter und sollen die gesamte Power des Drift-Boliden noch besser auf den Asphalt bringen. «Wir haben den Entwicklern einfach gesagt, dass sie unter keinen Umständen etwas an den Flanken ändern sollten, denn diese sind bei Nexen top und haben in den letzten Saisons nie zu einem Reifenplatzer geführt», so der Schweizer Profipilot.

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Yves Meyer und das neue Supra-Chassis in der kleinen Werkstatt Drift Force GmbH neben dem Verkehrssicherheitszentrum in Seelisberg.

«Es ist nicht einfach das leichteste Auto das beste», erläutert Meyer. «Wir arbeiten viel mit der Fliehkraft und dieses Momentum muss man zuerst aufbauen. Bei weniger Gewicht gibt’s auch weniger Momentum, mit dem man spielen kann», so der Driftprofi. In den Rennen tragen immer zwei Piloten gemeinsam sogenannte «Battles» aus, damit in jeder Runde Action pur herrscht. Bevor es zu diesen entscheidenden Duellen und zum Qualifying kommt, hat man 2,5 Stunden oder maximal 12 Runden Zeit, um das Setup fürs Rennen festzulegen. Im Qualifying, das einzeln gefahren wird, beurteilen dann Schiedsrichter Winkel, Linie und Style – nur die besten 32 Fahrer qualifizieren sich fürs Rennen.

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In den USA steht Yves Meyer – Spitzname «Capo» – in der «Formula Drift PRO» im Einsatz und benötigt pro Saison rund 500 Reifen.

Und selbst wenn für den Einstieg in den Driftsport auch 150 bis 160 PS locker reichen, für die «Formula Drift PRO», das Mass der Dinge im Driftsport, sind heute ganz andere Leistungswerte gefragt. Daher sind für nächste Saison 1000 PS und 1000 Nm aus lediglich 3 Litern Hubraum das Ziel für den neuen Toyota GR Supra von Joshua C. Reynolds und Yves Meyer. Die Drift Force GmbH arbeitet dafür eng mit Adrian Mock von der Maptec GmbH in Romanshorn TG zusammen. «Adrian bringt eine riesige Erfahrung in der Motorenentwicklung und -abstimmung aus unterschiedlichen Rennserien mit», erläutert Meyer. «Motorenentwicklung und die ganze Elektronik ist etwas für die Spezialisten, da lassen wir lieber die Finger davon und kümmern uns um die anderen Details.» Der Motor und dessen Ansprechverhalten sind jedoch zwei wichtige Punkte, die für Meyer ein gutes Fahrzeug ausmachen: «Leistung, Radstand, aber auch Steifigkeit – und die vor allem am richtigen Ort – sind entscheidend für einen guten Drift-Boliden. Nur so lassen sich später extreme Winkel fahren und die unglaublichen G-Belastungen in coole Drifts umsetzen.»

artikel_11.jpgDie Driftprofis liefern sich packende Duelle vor teilweise über 60'000 begeisterten Fans.

Für ein ideales Driftfahrzeug sind laut Meyer Heckantrieb und eine gute Fahrdynamik entscheidend. Und vor allem auch eine gute Gewichtsverteilung. «Wir streben dabei ein Verhältnis von 51 zu 49 an.» Je nach Fahrer darf die Gewichtsverteilung aber auch unterschiedlich sein. «Es gibt Piloten, die haben lieber mehr Drehbewegungen, dann wird meist mehr Gewicht ins Heck verlagert», so Meyer. «Ich habe das Gewicht dagegen lieber nahe am Drehpunkt selbst und das versuchen wir beim Aufbau des Wagens natürlich zu berücksichtigen.» Nicht immer einfach, für alle Wünsche eine Lösung zu finden. «Wir sind zwar klein, sind aber mit viel Herzblut bei der Sache und finden eine Lösung, die in einem grösseren Team vielleicht nicht mal in Betracht gezogen wird», so der in Egolzwil bei Sursee LU aufgewachsene Driftprofi, der mit Startnummer 91 über die Pisten heizt.

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Yves Meyer (Bild) und sein Teamkollege Joshua C. Reynolds werden nächstes Jahr mit einem in Emmetten NW gebauten Supra an den Start gehen.

«Yves fährt mit einer Lachgaseinspritzung, die braucht einen gewissen Druck und das Ganze soll beim neuen Wagen vollautomatisch geschehen, so dass er sich voll auf den Drift konzentrieren kann», verrät Patrick Müller, der selbst viel Rennerfahrung mitbringt, «gar nicht so einfach.» Zudem sind auch so nette Spielereien wie eine Rückfahrkamera oder ein kleine Heizung für den Trockensumpf angedacht, damit man mit dem 1000-PS-Motor nicht unnötig das Öl auf ideale Betriebstemperatur bringen muss, bevor es quer und mit möglichst viel Style über den Asphalt geht. Dem Team der Drift Force GmbH gehen die Ideen also kaum aus, höchstens irgendwann die Zeit, denn diesen November muss der neue Toyota GR Supra zum Verschiffen in den Container…
 
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