«Garagistenzmorge»
«Garagistenzmorge» bei der Garage Schaller AG in Zermatt: Wenn der Garagist auch die Schreibmaschine repariert…
31. Januar 2017 agvs-upsa.ch - Wer in einem autofreien Ferienort mit Erfolg eine Garage betreibt, ist ein gewiefter Geschäftsmann. Wir fragten Hermann Schaller in Zermatt nach seinem Erfolgsrezept.
Hermann Schaller mit Tochter Luzia-Maria und Hündin Sabira vor der neuen Garage und dem neuen Parkhaus.
srh. Ein typischer Wintertag in Zermatt, auch wenn an diesem Dezembertag nicht viel Schnee liegt. Am Nachmittag verschwindet die Sonne früh hinter den Bergen. Markant steht das Matterhorn hoch über dem Tal. Hermann Schaller und seine Tochter Luzia-Maria stehen vor ihrer Garage für den Fototermin. Während Vater, Tochter, Garage und Parkhaus vor dem Matterhorn ins rechte Licht gerückt werden, grüsst ein Passant. Schnell entwickelt sich ein Gespräch, das sich hinzieht. Für Hermann Schaller ist es das Erfolgsrezept. Der Kundenkontakt sei für ihn das wichtigste überhaupt: «Wenn ich jemanden frage, wie es ihm geht, dann interessiere ich mich für die Antwort. So entsteht der zwischenmenschliche Kontakt mit den Leuten.»
Dass Hermann Schaller überhaupt Garagist im autofreien Zermatt wurde, bedurfte einiger Zufälle, wie er sich erinnert. «Bei der Berufswahl kamen für mich zwei Varianten infrage: zum einen Fernseh-Radio-Elektriker und zum anderen Automechaniker. Weil mein Götti guten Kontakt zu einer Garage in Sitten hatte, entschied ich mich für die zweite Variante.» Die Lehre absolvierte er im Unterwallis, «um die Sprache zu lernen». Nach der Meisterprüfung in der Deutschschweiz wollte sich Hermann Schaller als Garagist in Täsch niederlassen.
Engagiert für die Ausbildung
«1982 kam eines Abends um 17.30 Uhr der überraschende Anruf von meinem Vater Edgar, ob wir die Garage Vispa kaufen möchten. Bedenkzeit hatten wir nur bis am nächsten Morgen um 8 Uhr», erinnert sich Schaller. «Wir sagten Ja, übernahmen den zehnjährigen Betrieb und wurden zu Garagisten in Zermatt.» Dabei ist Zermatt für Autos mit Verbrennungsmotor gesperrt. Die Strasse zwischen Täsch und Zermatt darf nur mit einer Spezialbewilligung befahren werden, die an Einheimische und Zweitwohnungsbesitzer vergeben wird.
Hermann Schaller etablierte sich nicht nur als erfolgreicher Garagist in der autofreien Kommune. Er war von 2003 bis 2013 im Zentralvorstand des AGVS und präsidierte mehrere Jahre die Berufsbildungskommission. «Das Engagement im AGVS war spannend, aber auch sehr zeitintensiv. Ohne die Unterstützung meiner Frau Manuela wäre es nicht möglich gewesen», so Schaller. «In der Berufsbildung sind viele Spinner im positiven Sinne engagiert: Alle haben so viel Herzblut für die Sache, deshalb funktioniert es.» Sehr gerne erinnert er sich an die Länderwettkämpfe: «Mit einigen Vertretern aus dem Südtirol habe ich noch immer Kontakt. Sie kommen regelmässig hierher in die Skiferien.» Als besonders wertvoll schätzt Schaller die Durchlässigkeit der Ausbildungswege im Autogewerbe, wie er selbst erfahren durfte: «Ein Studium wäre für mich nie infrage gekommen. Ich konnte mich aber auf dem zweiten Bildungsweg weiterbilden.»
Seine eigene Philosophie («einfach, unkompliziert, kundenorientiert») und die Erfahrung aus der Berufsbildung gibt Hermann Schaller auch im eigenen Betrieb weiter. «Wer Menschen mit dieser Philosophie anstellen will, muss sie auch selber ausbilden», erklärt er. «Danijel Erceg machte bei uns die Lehre und arbeitet seit 14 Jahren im Betrieb; er bildete sich zum Automobildiagnostiker weiter und ist jetzt Werkstattleiter.» Auch Carlos Ferreira Teixeira und Boris Knezevic absolvierten die Lehre in der Garage Schaller – und sind immer noch im Betrieb. Aktuell beschäftigt Schaller drei Lernende.
Schaller hat eine Lösung
Die Vispa Garage ist seit 1974 Ford-Vertretung, diese übernahm Hermann Schaller – und ist zufrieden. Heute zählt Zermatt rund 500 Elektrofahrzeuge, die grösstenteils für den Transport der Touristen eingesetzt werden, sowie 3000 privat genutzte Autos. Reparaturen nimmt die Garage Schaller aber nicht nur an Autos und Elektrofahrzeugen vor. Landwirtschaftliche Fahrzeuge oder Schneeschlitten gehören genauso dazu – und noch mehr: «Ein Hotel brachte uns unlängst eine Fleischschneidemaschine vorbei», erzählt Schaller lachend. «Es begann eigentlich alles damit, dass eine Arztpraxis eine Schreibmaschine vorbeibrachte, die nicht mehr richtig funktionierte. Es hatte sich ein Bleistift in der Tastatur verklemmt, den wir entfernten.» Seither gilt in Zermatt: Wer ein technisches Problem hat: Schaller hat eine Lösung.
Eine Lösung benötigte die Garage Schaller vor knapp zwei Jahren für das in die Jahre gekommene Geschäftsgebäude. «Letztlich war eine komplette Sanierung mittels Abriss und Neubau der richtige Entscheid», sagt Hermann Schaller. In rund zwölf Monaten entstand ein komplett neues, modernes Garagengebäude sowie ein Parkhaus mit 300 Plätzen – eine Verdoppelung der bisherigen Kapazität. Hermann Schaller ist stolz: «Der Neubau ist ein Highlight im Quartier ‹Spiss›. Vorher war die Werkstatt nicht mehr so einladend.» Bemerkbar machte sich dies auf unerwartete Weise. «Wir haben seit dem Neubau deutlich mehr Anfragen für Ausbildungsplätze und Schnuppertage.»
Kinder überraschen den Vater
Die Investition steht für Hermann Schaller für eine Vorwärtsstrategie: «Ich hätte die Garage im vorherigen Zustand nie einem Nachfolger übergeben können.» Er habe dies auch für seine drei Kinder getan. Sohn Kilian und Tochter Magali absolvierten beide eine Lehre als Automobil-Mechatroniker im Familienbetrieb, arbeiten derzeit indes auswärts. Kilian Schaller liess sich zum Ingenieur ausbilden und arbeitet in einem grossen Ingenieurbüro in Bern. Magali ist mit ihrer Bachelor-Arbeit beschäftigt und arbeitet bei der Lonza. So ist derzeit nur Luzia-Maria in der Garage tätig – als Leiterin Administration.
Die Nachfolgeregelung wurde in der Familie Schaller bisher noch nicht gemeinsam diskutiert. «Es ist sensationell, so mit den eigenen Kindern zu arbeiten. Aber sie sollen lernen dürfen, was ihnen Freude macht», findet Hermann Schaller und nimmt einen Schluck Kaffee. Luzia-Maria sitzt neben ihm am Tisch im Aufenthaltsraum über der Werkstatt, schaut ihn an und lächelt: «Wir Kinder sprechen auch miteinander. Hier sind wir gross geworden, jetzt ist die Garage gross geworden. Die Garage ist dein Lebenswerk und das wollen wir weiterführen.» Und man spürt: Die Unternehmer-DNA der Kinder ist gleich ausgeprägt wie bei ihrem Vater. So markant wie das «Horu» über Zermatt.